Während in Berlin, Hamburg oder Stuttgart besonders leidenschaftlich über Nachhaltigkeit gesprochen wird, ist die tatsächliche Entwicklung urbaner Lebensräume alles andere als nachhaltig. Den Kopf voller smarter Ideen leben viele von uns in Städten, die dafür immer weniger Platz und Wertschätzung haben. Wer ausbrechen will, hat immer häufiger ein Ziel: Das Land. Der Summer of Pioneers bietet einen Sommer Probewohnen mit Community und Coworking.

Heimat ist, was Menschen daraus machen

Die Frage, wie wir morgen leben wollen, macht keinen Halt an den Grenzen der Stadt. Wer 2020 in der Provinz nur Bauernproteste sieht, blendet einen Großteil der Realität aus. Die Landflucht in die Metropolen hat in vielen Regionen eine Rückbesinnung auf lokale Identitäten ausgelöst. Die Kernfrage der Menschen auf dem Land ist nicht mehr, ob sie heute oder morgen in die Stadt ziehen, sondern, wie sie ihre Lebensqualität vor Ort verbessern können. Die Wertschätzung für Menschen mit smarten Ideen ist hier zwar nicht größer als in der Stadt, wohl aber die Freiräume damit zu experimentieren. Das Land mit urbaner Lebensqualität auszustatten, ist die Herzensangelegenheit von Frederik Fischer, früherem Tech- Journalisten und Vocer-Mitherausgeber aus Berlin. In seinem neuen Leben möchte er Dorfbewohner werden — und hat dafür eine eigene Formel entwickelt. Aus einem Stück Land mit Glasfaseranschluss und kleinen Häusern um große Gemeinschaftsflächen entsteht ein „KoDorf“ (muh!), bei dem die Menschen im Mittelpunkt stehen. Richtet man alles nach ihren Bedürfnissen aus, sinkt das individuelle Bedürfnis nach digitaler und materieller Ablenkung, ist er überzeugt

Blick vom Burgberg auf Homberg
Blick vom Burgberg auf Homberg

6 Monate, 20 Pioniere, eine Stadt mit Zukunft

In Deutschland kann man kein Dorf ins Nirgendwo bauen, die lokale Community gehört für Frederik Fischer deshalb dazu. Er sucht nach Orten, die offen für Neues sind und hat mit dem „Summer of Pioneers“ eine Art Warm-Up für seine Idee initiiert. In Kooperation mit zukunftshungrigen Gemeinden bietet er 20 Teilnehmerinnen ein Landleben auf Zeit. Für 6 Monate genießen sie ein Rundum-sorglos-Paket aus möblierter Wohnung mit Internetanschluss und gemeinsamem Coworking Space mit Anschluss an die lokale Kreativszene. Diese „Flatrate fürs Land“ kostet 150 Euro und 6 Monate sind genug, um zu sich und seiner Haltung zu einem Leben auf dem Land zu finden. In Wittenberge (Brandenburg) hat das im letzten Jahr die Region und Medien bis nach Großbritannien fasziniert. 2020 kommt der Summer of Pioneers jetzt mit einem auf nachhaltige Entwicklung ausgerichteten Profil nach Hessen. Hier liegt die jüngste Cittàslow-Stadt Deutschlands: Homberg (Efze). „Cittàslow“ ist das internationale Netzwerk lebenswerter Städte, 22 gibt es davon in Deutschland. Inspiriert von der Slowfood-Bewegung sollen lokal Antworten auf globale Herausforderungen gefunden werden. Dazu zählt die Suche nach dem Kern kleinstädtischer Lebensqualität im 21. Jahrhundert ebenso wie die Unterstützung der Klima- und Artenschutzbestrebungen der Vereinten Nationen.

Die Pioniere wohnen in Fachwerkhäusern rund um den Markt
Die Pioniere wohnen in frisch renovierten Fachwerkhäusern rund um den Markt

Digitalisierung befreit die Provinz vom Provinziellen

Der Mut auch große Ideen im Kleinen anzupacken spricht für die Stadt in Nordhessen, das insgesamt als strukturschwach gilt. Hier trifft der Bedarf an kreativer Zukunftsgestaltung auf Glasfaserausbau bis an jede Milchkanne; in den letzten Jahren wurden von Homberg aus 570 Dörfer im Rahmen des größten europäischen Breitbandprojekts angeschlossen. Der Summer of Pioneers kommt also gerade zur rechten Zeit – und die Voraussetzungen für Digitalarbeiterinnen könnten nicht besser sein. Der Summer of Pioneers richtet sich genau an diese Zielgruppe, die als erste von der Digitalisierung befähigt wird, ihren Lebens- und Arbeitsort wieder frei zu wählen. Ihre Berufe unterscheiden sie von früheren Stadtflüchtlingen, die sich auf dem Land meist traditionell verfügbaren Berufen wie einem Handwerk oder der (Bio)Landwirtschaft zugewandt haben und diese weitergedacht haben. Der flächendeckende Breitbandausbau stellt plötzlich alles Provinzielle in Frage und entbindet auch hochqualifizierte Arbeit vom lokalen Resonanzraum der Stadt.

Für die Mobilität der Pioniere sorgt der CarSharing-Anbieter Regio.Mobil aus der Region und eBikes, die die Stadt zur Verfügung stellt
Für die Mobilität der Pioniere sorgt der CarSharing-Anbieter Regio.Mobil aus der Region und eBikes, die die Stadt zur Verfügung stellt

Homberg hat Technologie, Talente und Toleranz

Da, wo das strukturschwache und damit naturreiche Land die Chancen der Gegenwart erkennt, kann es zum Paradies werden. Darauf baut das regionale Gründer-Netzwerk „HOMEberger“, das ich mit weiteren Akteuren 2018 gründete und mit dem wir den Summer of Pioneers in Homberg unterstützen. Hier treffen innovative Bio-Landwirte auf die Hersteller des ersten fairen Smartphones aus Deutschland und Unternehmensberater auf Handwerksmeister. 24 Unternehmerinnen werden von gegenseitiger Wertschätzung und dem Wunsch, Nordhessen nachhaltig zu gestalten, zusammengehalten und freuen sich auf die Zusammenarbeit mit den Pionieren. Für den Summer of Pioneers in Homberg spricht die Offenheit der Region, ihre Talente und ihre Technologie. Die Stadt mit beschaulichen 7.000 Einwohnern beschäftigt eine Klimaschutzmanagerin, 2020 soll ein Naturpark die umgebende Landschaft würdigen. Die Pioniere werden empfangen von Mentoren, allesamt Geschäftsführer regionaler Unternehmen mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell. Sie helfen den Pionieren gut in der Region anzukommen. Geschäftsideen mit lokalem Impact fördert Homberg mit einem unbürokratischen Förderprogramm.

Die HOMEberger waren als eine der zwölf innovativsten ländlichen Initiativen auf 2020 auf der Grünen Woche. Hier im Bild mit Hombergs Bürgermeister Nico Ritz
Die HOMEberger waren als eine der zwölf innovativsten ländlichen Initiativen 2020 auf der Grünen Woche. Hier im Bild mit Hombergs Bürgermeister Nico Ritz

Bewerbung bis zum 9. März

Wer Lust hat eine Blaupause für ein nachhaltiges Landleben von morgen nicht nur zu entwerfen, sondern auch an der Umsetzung beteiligt zu sein, kann sich noch bis zum 9. März für den Summer of Pioneers in Homberg bewerben. Der Marktplatz von Homberg wird 2020 ein Campus für modernes Leben auf dem Land. Mehr Infos dazu auf homberg-pioneers.de